Pflichttermin in Spandau verpasst

Anlässlich des 30. Todestages von Rudolf Heß, der Stellvertretende Adolf Hitlers, veranstaltete die extrem rechte Szene einen Aufmarsch durch Berlin- Spandau. Ein starker Gegenprotest an der Route erwirkte eine enorme Verkürzung der Strecke. Aus dem geplanten Trauermarsch wurde eine frustrierte Demo mit Rechtsrock.

Mangelhafte Teilnahme aus Mecklenburg-Vorpommern

Vor 30. Jahren begang der Stellvertreter Adolf Hitlers Rudolf Heß im Kriegsverbrecher-Gefängnis in Spandau Selbstmord. Innerhalb der Neonazi-Szene wird Heß als Märtyrer gehypt. Dementsprechend ranken sich einige Mythen innerhalb der Rechten um die Umstände seines Todes. Die Tatsache, dass Heß Selbstmord begangen haben soll, wird von den Neonazis nicht aktzeptiert. Anlässlich seines Todestages veranstaltete die extrem rechte Szene einen Aufmarsch durch den Berliner Stadtteil. Mit der Forderung die Ermittlungsakten offen zu legen, sollte die Aufmarschroute zum mittlerweile abgerissenen Kriegsverbrecher-Gefängnis gehen.
Europaweit wurde mobilisiert. Sowohl Vertreter der konkurrierenden Parteien Die Rechte, Dritte Weg und NPD gingen gemeinsam und demonstrierten Einigkeit. Auch das Thinghaus warb auf seiner Werbefläche für den Hess-Aufmarsch. Um so überraschender, dass der „Freundeskreis Thinghaus“ rund um den einschlägig bekannten Jameler Sven Krüger dem Aufmarsch in Spandau fern blieb. Nur vereinzelt waren Neonazis aus Mecklenburg-Vorpommern zwischen den Reihen der rund 800 Teilnehmer zu finden. Stefan Köster marschierte gemeinsam mit Michael Grewe. Antje Mentzel hielt sich nicht an den gewünschten Dresscode von weißen Oberteilen und stach in einem pink-schwarzen Dirndl ins Auge. Einige wenige Mitglieder der Kameradschaft „Dreiländer Jungs“ und „Germanisches Bollwerk Mecklenburg“ besuchten Berlin. Das ehemalige Mitglied der Bruderschaft „Weiße Wölfe Terrorcrew“ Heiko Wöhler aus Wismar trottete leicht frustriert aussehend mit. Der aus Berlin stammende Lutz Giesen übernahm kleinere organisatorische Aufgaben. Er war an den Gesprächen mit den Ordnungsbehörden beteiligt und organisierte zum Teil die Kommunikation innerhalb der Teilnehmer.

Frustration statt ehernvolle Trauer

Der Aufmarschzug kam nur träge in Bewegung. Immer wieder stockten die Reihen und warteten auf weitere Anweisungen bis der Aufmarsch schlussendlich zum stehen kam. Grund dafür war der umfangreiche und lautstarken Gegenprotest, der die Trauermusik des Lautsprecherwagens deutlich übertönte, entlang der Route. Schnell war die Straße blockiert, sodass die Neonazis gezwungen waren eine Alternative in Anspruch zu nehmen. Ihr Ziel zu dem Gelände des ehemaligen Kriegsverbrecher-Gefängnisses zu gelangen, in dem Heß sich erhängt hatte, haben sie nicht erreicht. Dementsprechend kippte die Stimmung. Die selbst auferlegten Auflagen, u.a. ein Rauchverbot sowie jegliches Verbot auf Provokationen ein zu gehen, wurden kurzer Hand beiseite geschoben. Aus dem ehrenvollen Trauermarsch mit weißen Hemden wurde eine klassische Nazi-Demo mit Rechtsrock und Parolen. Einige Teilnehmer zogen es sogar vor ihre weißen Oberteile wieder aus zu ziehen. Die restliche Route der Neonazis zurück zum Treffpunkt am Bahnhof in Spandau glich einem Spießroutenlauf entlang der Gegendemonstranten. An einer Stelle der Aufmarschstrecke griffen frustrierte Neonazis Gegendemonstranten und Pressevertreter an. Auch die gut einstündige Abschlusskundgebung ließ die Stimmung in den Reihen nicht wieder steigen.

Erzwungener Spontanaufmarsch in Falkensee

Ein Teil der Neonazis, die mit dem Zug anreisten, schafften es gar nicht erst bis nach Spandau. Aufgrund von technischen Defekten auf der Bahnstrecke waren sie gezwungen in Falkensee aus zu steigen. Unter ihnen befand sich auch Christian Wulff und Siegfried Borchardt. Damit die lange Anfahrt nicht völlig umsonst war, veranstalteten sie in Falkensee einen spontanen Aufmarsch.

Auch wenn die rechten Parteien, die um die gleichen Wählerstimmen innerhalb ihrer Kameraden werben, eine überschwängliche Einigkeit zeigten, sind die Zerwürfnisse innerhalb der rechten Szene spürbar. Die Organisatoren konnten ihr Ziel, an dem Ort des Geschehens von Heß’s Selbstmord zu marschieren, nicht erreichen. Mitglieder der Partei Die Rechte Dortmund kündigten via Twitter für das kommende Jahr eine Wiederkehr nach Spandau an. Es bleibt ab zu warten, ob sich die Lethargie der rechten Szene Mecklenburg-Vorpommerns , die heute an den Tag gelegt wurde, auch im kommenden Wahlkampf zu den Bundestagswahlen im September fortsetzt.

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