Anlässlich des Volkstrauertages beteiligten sich auch in diesem Jahr Mitglieder des extrem rechten Spektrum an den offiziellen Gedenkveranstaltungen und führten selbst Kranzniederlegungen durch. In der Nähe von Bad Kleinen wurde durch einen Polizeieinsatz ein „Heldengedenken“ mit Fackeln und weißen Kreuzen verhindert.
Freie Kräfte im Aufwind
Jeden zweiten Sonntag vor dem 1. Advent finden anlässlich des Volkstrauertages bundesweit Gedenkveranstaltungen statt. Der Tag wurde vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberführsorge e.V. zum Gedenken an die Kriegstoten eingeführt, wie es auf deren Website heißt. Die Auslegung der Gedenkveranstaltungen, die in vielen Städten und Gemeinden durchgeführt werden, ist durchaus sehr unterschiedlich. Einige gedenken in ihren Reden ebenfalls den Betroffenen von Gewaltherrschaften, andere beschränken sich lediglich auf das Trauern um gefallene Soldaten. Dieser Interpretrationsspielraum läd auch Anhänger des rechten Spektrum jährlich dazu ein, ihren „Helden“ zu gedenken, die vorwiegend aus Soldaten der Wehrmacht bestehen.
Auch in diesem Jahr fanden selbstorganisierte Volkstrauertags-Veranstaltungen der rechten Szene in Mecklenburg-Vorpommern statt. Ein wenig mau startete der Volkstrauertag in Waren. Zum Vormittag lud das „Kollektiv Seenplatte“, NPD Waren und die „Kameradschaft Güstrow“ zum „Heldengedenken“ ein. Gerade einmal 19 Personen nahmen an der Veranstaltung teil. Nils Matischent (Kameradschaft Güstrow), Doris Zutt (NPD Waren) und Christoph Thews (Kollektiv Seenplatte) waren als Redner angekündigt.
Etwas besser besucht und mit einer größeren Außenwirkung war die Beteiligung von vorwiegend Rostocker Neonazis an der offiziellen Gedenkveranstaltung der Hansestadt Rostock auf dem Neuen Friedhof. In Zweierreihen marschierten die rund 30 Rechten, unter ihnen Mitglieder der Kameradschaft „Nationale Sozialisten Rostock“, mit einem Kranz über den Friedhof zur Feierhalle. Nachdem die Feierstunde mit der offiziellen Kranzniederlegung beendet war, begannen die Neonazis mit ihrer eigenen Zeremonie. Im Spalier hielten sie nationalsozialistisch ausgelegte Reden.
Größtes Heldengedenken in MV von Polizei verhindert
Jährlich finden neben den wenigen offiziell angemeldeten „Heldengedenken“ viele konspirative Zusammenfindungen und kleinere Kranzniederlegungen statt. In Bad Kleinen wurde eine derartige konspirative Veranstaltung von der Polizei verhindert. Kurz vor 18:00 Uhr trafen sich mindestens 60 Anhänger der rechten Szene an der Schweden Schanze, kurz hinter Bad Kleinen in Richtung Hohen Viecheln. Die Polizei erlangte Kenntnis von diesem Treffen und überraschte die Neonazis. Einige verließen fluchtartig mit ihren Autos den Ort. Rund 40 schafften es nicht und befanden sich in einer zweistündigen Polizeikontrolle. Neben den Personalien wurden auch die Fahrzeuge der Rechten kontrolliert. Dabei stellte die Polizei einige Gegenstände sicher. Unter anderem beschlagnahmten sie Fackeln und weiße Holzkreuze. Beschriftet waren die Kreuze mit den Namen Sepp Dietrich und Hans-Ulrich Rudel. Dietrich war Kommandeur der Leibwache Adolf Hitlers, SS-Oberst-Gruppenführer sowie General-Oberst der Waffen SS. Rudel ist in einem ähnlichen Umfeld zu finden. Er war Schlachtflieger und Wehrmachtsoffizier sowie NS-Fluchthelfer und Waffenhändler nach Kriegsende. In unmittelbarer Nähe des Treffpunktes an der Schweden Schanze befindet sich der Ehrenfriedhof des Quarantänelagers Losten. Die Gedenkstätte wurde anlässlich der 276 Umsiedlern aus den östlichen Oder-Neiße-Gebieten, die gegen Ende des Zweiten Weltkrieges das Lager nicht überlebten. Vermutlich war der Ehrenfriedhof das Ziel der Neonazis, auf dem sie mit Fackeln und den Kreuzen ihren NS-Kult ausleben wollten.
Jedes Jahr findet eine derartig große Veranstaltung in Mecklenburg-Vorpommern statt. Nach Einbruch der Dunkelheit wird sich an einer Gedenkstätte getroffen, wo mit Fackeln eine Feierstunde abgehalten wird und Kränze, Kreuze o.ä. nieder gelegt werden. Im vergangenen Jahr fand eine ähnlich große Veranstaltung am Theodor-Körner-Denkmal in Lützow statt. Der Veranstalter des „Heldengedenkens“ war die NPD. Polizeiliche Maßnahmen fanden 2016 in Lützow nicht statt. Auch in diesem Jahr legte eine kleinere Gruppe wieder ein Kranz in Lützow ab. Mit einer schlichten Schleife und einer Karte war der Kranz geschmückt. Inhalt der Karte war „Das Lied vom Volke“, geschrieben von Wolfram Brockmeier. Der nationalsozialistische Lyriker war Mitglied der Reichsjugendführung und ab 1935 Leiter der Fachschaft Lyrik der Reichsschrifttumskammer. Neben den größeren Veranstaltungen der extrem rechten Szene beteiligten sich auch immer wieder Einzelpersonen an den offiziellen Feierstunden. Unter anderm wiederholt in Wismar legte ein Anhänger der lokalen NPD-Struktur ein Trauergebinde ab.