Skandalöser Polizeieinsatz bei NPD-Aufmarsch in Schwerin

1_Mai_Schwerin_NPD_Aufmarsch_057Zum 01.Mai 2016 marschierte die NPD unter dem Motto „Für Volk und Heimat“ in der Landeshauptstadt Schwerin auf. Die Einsatzkräfte der Polizei verhinderten jeglichen Versuch Gegenprotest in Sicht- und Hörweite der NPD-Route zu bringen, sodass die NPD nahezu ungestört ihre Auftaktveranstaltung für den Wahlkampf der kommenden Landtagswahlen in Mecklenburg Vorpommern durchführen konnte.

Militant und Aggressive Stimmung

Bereits ab 10:00 Uhr, noch eine Stunde vor dem offiziellen Beginn der Großkundgebung, die als Auftakt des NPD-Aufmarsches diente, fanden sich die ersten Teilnehmer der NPD auf dem Platz der Freiheit ein. Viele verköstigten sich am Verpflegungsstand, der Bockwurst und eine alkoholfreie Getränkeauswahl hergab, und unterhielten sich angeregt an den Stehtischen. Überall waren NPD-Aufsteller, Fahnen und eine Bühne mit einem Transparent des Aufmarsch-Mottos „Für Volk und Heimat“. Wahlkampfstande wurden hergerichtet, an dem sich die Stammwählerschaft über das Wahlprogramm für die kommenden Landtagswahlen informieren konnten.

1_Mai_Schwerin_NPD_Aufmarsch_002Neben den parteitreuen Kameraden, die entweder selbst NPD-Mitglieder oder Mitglied in freien Kameradschaften sind und seit Jahren die NPD-Aufmärsche u.a. am ersten Mai besuchen, waren auch die Initiatoren des „Dachverbandes Deutschland wehrt sich“. Nach einigen internen Unstimmigkeiten und gesundheitlichen Problemen des Hauptinitiators Torsten Schramke hat sich die Gruppe „Schwerin wehrt sich“ vor wenigen Wochen in „Widerstand MV“ umbenannt. Die zugehörige Facebookseite „Dachverband Deutschland wehrt sich“ ist seitdem nicht mehr auffindbar. Mit frisch gedruckten T-Shirts versuchten sie ein professionelleres Bild ab zu geben. Einzig Thorsten Schramke hielt Distanz zu seinen alten Kameraden und reihte sich ohne „Widerstand MV“-T-Shirt dafür mit Schwarz-Weiß-Roter-Fahne neben den NPD-Führungskräften in vorderster Reihe ein.

Die Stimmung war weitaus militanter und aggressiver, als bei dem vergangenem 1.Mai-Aufmarsch in Neubrandenburg. Mit vielen NPD- und JN-Fahnen wurde ein einheitliches Bild abgegeben. Die Worte waren klar formuliert und heizten der Masse ein.

1_Mai_Schwerin_NPD_Aufmarsch_028Während der Auftaktveranstaltung auf dem Platz der Freiheit hielten sich die Polizeikräfte weitestgehend im Hintergrund. Die wenigen Einsatzkräfte regelten die Minimalaufgaben, wie das Überwachen der Polizeiabsperrung oder den Kontakt zu den NPD-Verantwortlichen. Der Rest lehnte entspannt in den Seitenstraßen an den Polizeifahrzeugen, machte Pause, unterhielten sich oder rauchten. In einem Tweet der Polizei Schwerin um kurz nach 12:00 Uhr hieß es: „Auf dem Platz der Freiheit haben sich bislang etwa 400 Teilnehmer der NPD-Demo eingefunden. Geplanter Beginn der Veranstaltung 13 Uhr. […] Früher als erwartet, laufen bereits die ersten Redebeiträge auf der NPD-Veranstaltung auf dem Platz der Freiheit.“ Obwohl bereits lange im Vorfeld öffentlich bekannt war, dass die Auftaktveranstaltung mit Reden und Rahmenprogramm der NPD um 11:00Uhr beginnen sollte.

Aufgrund des spärlichen Vorhandenseins der Einsatzkräfte hatten die Neonazis während ihrer Veranstaltung alle Freiheiten. Die Ordner wiesen die anwesenden Pressevertreter dominant in ihre Schranken. Auch Einschüchterungsversuche seitens der Teilnehmer wurden des Öfteren getätigt.

Vordringen zu den Verrätern des Volkes

1_Mai_Schwerin_NPD_Aufmarsch_019Mit bis zu 350 Teilnehmern startete die NPD gegen 11:00 Uhr ihre Wahlkampfveranstaltung. Nachdem die nationale Trommelgruppe die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf die Bühne richtete, sprach Andreas Theißen zu der Veranstaltung. Er begrüßte die anwesenden Kameraden und berichtete von seinen vergangenen Veranstaltungen mit dem Pegida-Nachahmer MVgida. Mehrfach betonte er, der von Beginn an die Organisation unterstützte, die Wichtigkeit der Mvgida-Aufmärsche. Wohl aufgrund der abfallenden Teilnehmerzahlen der letzten Aufmärsche vor der angekündigten Sommerpause, gab es vorwiegend Streicheleinheiten und ermutigende Worte für die Mitinitatoren. Auch wurden die Organisatoren der kürzlich umbenannten Gruppe „Widerstand MV“ speziell begrüßt. 1_Mai_Schwerin_NPD_Aufmarsch_020In den sozialen Netzwerken wird das meist stümperhaft auftretende Grüppchen um David Bühring und dem Schweriner OB-Kandidaten Uwe Wilfert von den NPD-treuen, langjährig aktiven Kräften oft belächelt. Obwohl Theißen auf das Aufstellen des Kandidaten für die kommenden Oberbürgermeisterwahlen von seitens des „Widerstand MV“s hinwies, wurde dieser nicht namentlich vorgestellt.

Anschließend übernahm Stefan Köster das Wort. Passend zum ersten Mai beschäftigte sich seine Rede vorwiegend mit den sozialen Themen, die die NPD verfolgt. Schwerpunkte stellten die angeblich drohende Altersarmut und die Arbeitslosigkeit im hohen Alter gepaart mit den gängigen „Asylbetrug“-Phrasen.

Frank Franz, Bundesvorsitzende der NPD, ergänzte den von Köster geforderten Widerstand mit der von ihm geforderten Freiheit für das deutsche Volk. Franz’s nicht mit Quellen belegte Zahlendreherei und angeblich statisch erhobene Daten sorgte wohl bei einigen Teilnehmern, die bereits zu der Uhrzeit zum Teil angetrunkenen waren, zu Schwindelgefühlen. Die ersten verließen bereits zu diesem Zeitpunkt gelangweilt die Veranstaltung. „Am 4. September ist es genau ein Jahr her, 1_Mai_Schwerin_NPD_Aufmarsch_021als die Bundeskanzlerin Angela Merkel die Grenzen zur Bundesrepublik geöffnet hat. Und seither strömen jedes Jahr mindestens 1,5 Millionen Fremde zu sogenannten regulären Zuwanderungen in unser Land.“, so berichtet Frank Franz. Der 4. September 2015 ist erst 8 Monate zurück, was nicht einmal einem Jahr entspricht. Desweiteren wurde laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im gesamten Jahr 2015 gerade einmal 476.649 Asylanträge gestellt. Aus der Asylstatistik für 2015, die Thomas deMaizi´ere anfang Januar 2016 veröffentlicht hat, geht hervor, dass rund 1,1 Millionen Geflüchtete im sogenannten Easy-Way-Verfahren registriert wurden. Mit mathematisch und statisch korrekt klingender Zahlenjonglage versucht Frank Franz, Ängste vor dem Aussterben des deutschen Volkes zu schüren. Die Gesamtzuwanderung, die nicht nur Geflüchtete berüchsichtigt, betrug im Jahr 2015 laut Ausländerzentralregister des statistischem Bundesamtes 1.654.092 Zugänge. Allerdings verließen auch im selben Jahr 422.438 Menschen das Land. Zusätzlich mit eingeschlossen in diesen Zuwanderungs- und Abwanderungszahlen sind auch Personen, die aufgrund ihrer Arbeitssituation einen begrenzten Aufenthalt in Deutschland haben.

1_Mai_Schwerin_NPD_Aufmarsch_022Internationale Unterstützung versprach Stefan Jacobsson von der europäisch, länderübergreifend agierenden „Alliance for Peace and Freedom“ (APF), in der auch die NPD federführend mitwirkt. Die APF speist sich in ihrer Arbeit maßgeblich aus EU-Mitteln.  Der Schwede Stefan Jacobsson fungiert in der APF als Generalsekretär. Jacobsson war bis zur Auflösung im Mai 2015 Parteivorsitzender der  rechtsextremen und neonazistischen „Svenskarnas parti“. Jacobsson wurde unter anderem im Jahr 2005 zu zwei Monaten Haft für gewalttätige Ausschreitungen verurteilt. Desweiteren beteiligte sich der Generalsekretär der APF laut dem schwedischen Blatt „EXPO Idag“ an einem Angriff auf politische Gegner am 12.07.2013 in Halmstad. Übersetzt wurde der englischsprachige Redebeitrag Jacobssons von Udo Pastörs. Jacobsson berichtete von der „Fremdenüberflutung“ ähnlich, wie sie in Deutschland geschehe. Er berichtete von einer fiktiven Zukunft, in der der „Naturschwede“ aussterbe, was nur durch das gebären von schwedischen Kindern verhindert werden kann. Viel Hoffnung steckte in seiner Ansprache, dass unmögliche Dinge geschehen können, wenn der Identitätsgedanke gestärkt würde.

1_Mai_Schwerin_NPD_Aufmarsch_023Selbstverständlich ließ es sich der Vorsitzende der NPD-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommerns Udo Pastörs nicht nehmen selbst zu seinen Anhängern zu Sprechen. Deutlich mehr Jubel und Zustimmung fand er unter den Zuhörern, als der Bundesvorsitzende Frank Franz. Rhetorisch einstudiert erinnerte seine Rede an Parteitage aus längst vergangener Zeit.

…wir [werden] bis zum September einen unerschrockenen, kreativen und härtesten Wahlkampf führen [], den Mecklenburg-Vorpommern aber auch ganz Deutschland bei einer Landtagswahl gesehen hat. Und ich bin ganz sicher, dass die Menschen in diesem Land auf eine so unerschrockene und so treue nationale Kraft nicht verzichten wollen und wir mit 6% + x zum dritten Mal unter meiner Führung in den Landtag zu den Verrätern des Volkes vordringen werden und eine Oppositionspolitik weiterhin in die Praxis umsetzen werden.“, kündigte Pastörs für den kommenden Wahlkampf der NPD an.

Polizei prügelt NPD-Aufmarsch den Weg frei durch Schwerin

Dank der Taktik der Einsatzleitung der Polizei verlief für die bis zu 500 Teilnehmer des NPD-Aufmarsches der Tag friedlich. Ungestört konnten sie ihre rassistisch, national geprägten Parolen in der Schweriner Innenstadt verbreiten. Selbst die Hitler-Grüße und Vermummung einiger Teilnehmer, und damit ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, sahen die Polizeibeamten nicht als Anlass, Handlungen ein zu leiten.

1_Mai_Schwerin_NPD_Aufmarsch_038Zeitgleich waren mehrere Veranstaltungen zum Gegenprotest von verschiedenen Vereinen, Verbänden und Gewerkschaften angemeldet. Bereits im Vorfeld kam es zu rechtlichen Streitigkeiten um die Anmeldungen beider Seiten. Gegenprotest in Sicht- und Hörweite der NPD-Anhänger war seitens der Polizei und Versammlungsbehörde nicht gewollt. Lediglich eine größere Reisegruppe aus Hamburg schaffte es in einer Seitenstraße an die Nazi-Route. Sie wurden allerdings kurz nach ihrem Ankommen von der Polizei gekesselt und den gesamten Tag dort fest gehalten. Als wenn es bereits im Vorfeld geplant war, die Reisegruppe schnell zu stoppen, war auch schnell ein Pavillion für eine erkennungsdienstliche Behandlung vor Ort. Auch entlang der angemeldeten Gegenveranstaltungen kam es immer wieder zu Eskalationen seitens der Polizei. Gruppen von Gegendemonstranten wurden nicht zu angemeldeten Veranstaltungen gelassen. Regelrechte Greiftrupps zogen Personen aus Gruppen, die angeblich an Straftaten vor mehreren Monaten beteiligt waren und führten auf schwammig rechtlichen Grundlage erkennungsdienstliche Behandlungen durch. Aber nicht nur bei erkennungsdienstlichen Behandlungen wurden massenhaft Daten von Gegendemonstranten an diesem Tag gesammelt. Der Staatschutz fotografierte gezielt Pressevertreter ab, die die Geschehnisse rund um den ersten Mai in Schwerin dokumentieren wollten.

1_Mai_Schwerin_NPD_Aufmarsch_052Vor allem die Spezial-Einheit „Beweis und Festnahme Einheit“ (BFE) stach mit äußerst brutalen Verhalten hervor. Gezielt schlug einer der BFE-Beamten einen Gegendemonstranten an die Schläfe, welcher daraufhin bewusstlos wurde. Nicht selten kam an diesem Tag Pfefferspray Richtung Gegendemonstranten zum Einsatz.

Ein Zug von Breitschaftspolizisten räumte ca. 100 Meter vor dem NPD-Aufmarsch die Straßen frei. Auf der Wallstraße, die von Blutspuren gesäumt war, wurden mehrfach Personen zu Boden gestoßen und über die Straße gezerrt.

Die NPD würdigte in ihrem Bericht über ihren Aufmarsch die Arbeit der Polizei: Die Polizei zeigte mit ihrer Einsatztaktik, wie friedlich und einfach Demonstrationen der volkstreuen Beweggung ablaufen, wenn sie nicht auf Behördenwillkür setzt und von vorne herein verhindert, dass pubertäre Antifakinder und kreischende, linksversiffte „Flintenweiber“ sich auf die Straße setzen.

1_Mai_Schwerin_NPD_Aufmarsch_048Obwohl Gegendemonstranten zum Teil schwer verletzt wurden, wird es schwer sein rechtlich gegen die Polizeibeamten vor zu gehen. Viele waren unter ihren Helmen vermummt, um ihre Identät zu verschleiern. Einmal mehr wirft dies die Diskussion für eine Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten auf, wie sie bereits in einigen anderen Bundesländern erfolgreich umgesetzt wurde.

Wo hingegen in den vergangenen Jahren Gegenprotest entlang der NPD-Route durchaus erwünscht und möglich war, konnte die NPD in diesem Jahr aufgrund der an den Tag gelegten skandalösen Polizeitaktik ströungsfrei marschieren. Damit hat die Einsatzleitung einen entscheidenden Beitrag geleistet, dass die NPD gestärkt in das Wahljahr 2016 geht.

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