Zum mittlerweile „12. nationalen Kinderfest“ mit anschließender Sonnenwendfeier lud die Dorfgemeinschaft Jamel am 25.06.2016 in Jamel ein. Die bis zu 150 Gäste zündeten als Höhepunkt des Tages während der Feierstunde zur Sommersonnenwende ein Feuer an. Die Polizei hielt sich trotz erneutem Singen von Liedgut der Hitlerjugend aus dem Ort zurück.
Schon zu Beginn des „12. nationalen Kinderfestes“ am frühen Samstagnachmittag waren die bis zu 150 Gäste in das Mecklenburger Dorf Jamel gereist. Unter den angereisten Neonazis, welche hauptsächlich aus den Landkreisen Nordwestmecklenburg und Ludwigslust-Parchim kamen, war der NPD Landtagsabgeordnete David Petereit und der Schweriner Fan von Verschwörungstheorien Uwe Wilfert. Wilfert will bei der kommenden Oberbürgermeister-Wahl in Schwerin als „Protestkandidat“ antreten. Wie die Ostsee-Zeitung am 23.06.2016 schrieb, hat der Schweriner Wahlausschuss Zweifel an der Verfassungstreue Wilferts und will diesbezüglich über das Innenministerium Auskünfte vom Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommerns einholen. Am 13. Juli soll dann eine Entscheidung getroffen werden. [*1]
Nationale Erlebniswelt
Zum Kinderfest baute die Dorfgemeinschaft, wie ebenfalls bei vergangenen Veranstaltungen im Dorf, erneut eine Hüpfburg und eine Pyramide aus Heuballen auf. Hier konnten die ca. 40 Kinder spielen und herumtoben, während sich die Eltern an einem neu erbauten Getränkestand oder dem Festzelt bei Getränken, Kuchen und Eis austauschen konnten.
Das Treiben der Neonazis und derer Kinder wurde durch ein aufziehendes Unwetter mit Platzregen, Blitzeinschlägen und stürmischen Windböen gestört. Die Gäste suchten Schutz unter den Überdachungsmöglichkeiten. Mit fortschreitenden Regen verließen die ersten Teilnehmer des Festes Jamel.
HJ-Liedgut bei Feierstunde
Gegen 19.00 Uhr versammelten sich die übrig geblieben Neonazis und führten einen kurzen Fackeleinmarsch zur vorbereiteten Feuerstelle durch. Nachdem sie sich im Kreis um den gestapelten Holzhaufen aufgestellt hatten, wurde wie im Vorjahr auch das Lied „Nur der Freiheit gehört unser Leben“ von Hans Baumann gesungen. Baumann dichtete das Lied 1935 im Auftrag der Reichsjugendführung. Es erreichte schnell große Verbreitung und wurde in zahlreichen nationalsozialistischen Liederbüchern veröffentlicht. Es war eines der Pflichtlieder in der Hitlerjugend und dem Bund Deutscher Mädel.
Nach der Eröffnung der Feierstunde und einer kurzen Ansprache durch den mehrfach vorbestraften Sven Krüger wurde das Feuer von den Fackelträgern entzündet. Ganz im Sinne des völkischen Brauchtums, wie es schon zu NS-Zeiten gepflegt wurde, sagten einige Teilnehmer bei brennendem Feuer ihre „Feuersprüche“ auf. Unter den Aufsagenden waren auch Kinder und Heranwachsende.
Während die Neonazis eines ihrer wichtigsten Rituale im Jahr durchführten, hielt sich die Polizei im Hintergrund. Lediglich einen der drei Zufahrtswegen im Nachbardorf Gressow wurden die anreisenden Gäste von der Polizei kontrolliert. Die Mobile Aufklärung Extremismus (MAEX) sichtete mehrfach kurz das Treiben der Dorfgemeinschaft. Während der Feierstunde war augenscheinlich keine Polizei im Dorf Jamel. Anders als im benachbarten Grevesmühlen, wo das überregional bedeutsame Thinghaus steht, wurde eine Überprüfung Jugendgefährdung offensichtlich nicht durchgeführt. Anders wie bei öffentlichen Veranstaltungen im Thinghaus konnten die Kleinkinder und Heranwachsende an der Nationalen Erlebniswelt mit HJ-Liedgut teilnehmen.
Von der polizeilich geschaffenen „National befreiten Zone“ beflügelt gingen einzelne Neonazis „Streife“ im Ort, um anwesende Journalisten einzuschüchtern. Wiederholt ohne jegliche durchgehende Begleitung von Polizeibeamten oder zivilgesellschaftlichen Engagements konnten die Neonazis ihre Sommersonnenwende durchführen. Im Landkreis fehlt es offensichtlich an Konzepten, um der wieder erstarkten und immer mehr Öffentlich auftretende Neonazi Szene etwas entgegenzusetzen. Einzig das Paar Lohmeyer bietet einen kleinen Lichtblick im Dorf. Sie veranstalten jedes Jahr immer erfolgreicher das Open-Air-Festival „Jamel rockt den Förster“. Selbst durch den Scheunenbrand auf ihrem Grundstück im vergangenen Sommer ließen sie sich nicht einschüchtern. Eine für August geplante Vernissage auf dem Platz der abgebrannten Scheune zeigt ein anderes Jamel auf.
[*1]http://www.ostsee-zeitung.de/Mecklenburg/Suedwestmecklenburg/Politik/Zweifel-an-Verfassungstreue-von-OB-Kandidat