Mit aggressiver Stimmung marschierten rund 70 Teilnehmer gegen angebliche linke Gewalt bei einem Aufmarsch vom „Dachverband Deutschland wehrt sich“ (DWS) durch das Schweriner Brennpunktviertel Dreesch. Im Anschluss an den Aufmarsch wurden mehrere Personen, u.a. der Versammlungsanmelder und Mitinitiator von DWS David Bühring, festgenommen.
Back to the roots – mit Megafon und Pöbelmob
Unter dem Motto „Gemeinsam für unsere Stadt“ demonstrierten rund 70 Teilnehmer am Montag, den 18.07.2016, in Schwerin gegen vermeintlich linke Gewalt und Gewalt ausgehend von Menschen mit Migrationshintergrund. An der selbstsicher, angekündigten „Großen Demonstration“ beteiligten sich lediglich 70 Neonazis und besorgte Rassisten. Die Euphorie war gedrückt und die Stimmung äußerst aggressiv. Wiederholt mussten die Veranstalter an diesem Tage unterschiedlichste Hürden meistern. Bereits zu Beginn des Aufmarsches fiel, die nach eigenen Angaben, neu erstandene Lautsprecheranlage aus. So wurden alle Redebeiträge mit dem Megafon gehalten, welches die DWS-Bewegung seit den versuchten pogromähnlichen Zuständen vor einer Notunterkunft im Schweriner Stadtteil Lankow im vergangenen Jahr begleitet. Auch hatten sie erneut Probleme, Ordner für ihre Veranstaltung zu finden. Einige der Freiwilligen wurden augenscheinliche aufgrund eines erhöhten Alkoholpegels von den Ordnungsbehörden abgelehnt.
In der Auftaktkundgebung wurde die stark begrenzte Aufmerksamkeitsspanne der Teilnehmer vom Redner „Bernhard“ strapaziert. Mit wilden aneinander gereihten, nicht mit Quellen belegten Thesen bombardierte er die Zuhörer. Ein Großteil des Publikums fand es allerdings interessanter mit dem Handy zu spielen oder sich mit den anderen zu unterhalten. Auch der Versuch, das Publikum mit seinen Berichten von sexuellen Übergriffen und der „… exorbitanten Entwicklung der organisierten Kriminalität“ vorgetragen in bildungsschwachem Jargon für sich zu gewinnen, scheiterte. Eine größere Aufmerksamkeit schenkten die DWS-Anhänger hingegen den anwesenden Pressevertretern, die immer wieder gerne zum Ablassen von Beleidigungen, Gewaltandrohungen bis hin zu Morddrohungen genutzt wurden. Auch die vorbeiziehenden Gegendemonstranten wurde vollgepöbelt und als „Eselficker“ beschimpft.
„Wir befinden uns im Krieg!“
Auch die angemeldete Route entsprach nicht einer, welche man sich bei einer „Großen Demonstration“ vorstellt. Bereits nach 700 m, eine Straßenbahnhaltestelle weiter, war der Endkundgebungspunkt erreicht. Mit Megafon und dröhnender Stimmer berichtete Torsten Schramke ausführlich über die Gründe für ihre Demonstration. Anhand ausgewählter Beispiele, die für die Allgemeinheit stehen sollten, versuchte er seinen Zuhörern die Problematik von nicht gleichwertig behandelten politisch motivierten Straftaten zu erläutern. Obwohl Schramke vermutlich kriegsähnliche Zustände nur aus dem Fernsehen kennt, warnt er davor, man befände sich mittlerweile im Krieg. Er lieferte ein Beispiel, in dem eine Straftat, in Form einer Volksverhetzung, aus seiner Sicht unverhältnismäßig hart bestraft wurde. Auch er selbst fühle sich ungerecht behandelt. So musste der Hundefreund Schramke aufgrund einiger Aktivitäten in einem Chat nach eigenen Angaben wegen des Verbreitens von tierpornografischen Schriften eine Geldstrafe von 800 € zahlen. Als Gegenbeispiel dazu berichtet er u.a. über die aktuellen Verhältnisse um die Hausbesetzung in der Rigaer Straße in Berlin, bei denen Täter angeblich nicht zur Rechenschaft gezogen worden würden. Damit versucht er seine These zu untermauern, die Gefahr gehe von linken Gewalttätern und Gewalttätern mit Migrationshintergrund aus.
Die Statistiken des Ministeriums für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern bezüglich politisch motivierter Straftaten sprechen allerdings eine andere Sprache. So besagen die aktuellen Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität in Mecklenburg-Vorpommerns für das Jahr 2015, veröffentlicht am 25.04.2016, dass mit einem Anteil von 82% (insgesamt 1.032 Straftaten) rechtsmotivierte Straftaten dominieren. Im Bereich linksmotivierte Straftaten sanken die Zahlen von 190 auf 165 und verzeichnen damit ein Rückgang um 13,2%. Mit 12 Fällen im Jahr 2015 bildet die politisch motivierte Ausländerkriminalität das Schlusslicht.
„Warum wollen sie keinen aus dem Volk?“
Neben Schramke fühlt sich auch der abgelehnte Oberbürgermeisterkandidat Uwe Wilfert ungerecht behandelt. In der vergangenen Woche lehnte der Wahlausschuss seine Kandidatur für die kommenden Oberbürgermeisterwahlen in Schwerin ab. Grund dafür seien Zweifel an seiner Verfassungstreue. Obwohl Uwe Wilfert engen Kontakt zur NPD pflegt, an konspirativen rechten Veranstaltungen, wie der Sommersonnenwende der Dorfgemeinschaft Jamel, teilnimmt und in der Öffentlichkeit immer wieder rassistisch motivierte Verschwörungstheorien verbreitet, fühle er sich unrechtmäßig in die rechte Ecke gedrängt.Mit der allseits bekannten Logik á la Wilfert, vermutet er einen ganz anderen Grund hinter seiner Ablehnung als Oberbürgermeisterkandidat. Die Politiker im Schweriner Stadthaus, hätten ein Problem mit ihm, weil er ein Bürger aus dem Volke sei. Mit ihm als Oberbürgermeister könnten sie sich nicht mehr das Geld untereinander aufteilen und sich daran bereichern. Wie auch schon während seines Wahlkampfes thematisiert er erneut den fehlgeleiteten Finanzhaushalt, bei dem niemand so genau wisse, wohin das Geld gehe.
Mit einer eingereichten Beschwerde und einer vorbereiteten einstweiligen Verfügung versucht Wilfert nun gegen die Entscheidung des Wahlausschusses vor zu gehen.
Während der Zwischenkundgebung hörten auch einige alkoholisierten Passanten zu, die sich bereits am Endkundgebungspunkt befanden, und signalisierten Zustimmung. Von der aggressiven Grundstimmung, die von den rechten Aufmarschteilnehmern ausging angestachelt, fühlte sich einige beflügelt ihren Unmut direkter zu äußern. Eine Bierflasche flog auf die gegenüberliegende Straßenseite und verfehlte nur knapp die anwesenden Pressevertreter.
Der Widerstand bäumt sich auf
Was an Seriösität der rechten Splittergruppe Torsten Schramke und Uwe Wilfert versuchten mit ihren neuen Hemden mit DWS besticktem Kragen zu erhöhen, riss der Versammlungsanmelder und DWS-Mitinitiator David Bühring mit seinem Zorn und seiner Aggressivität in seiner Rede wieder ein:
„Wir stehen hier mit 50 Leuten, hören Redebeiträge und gehen danach nach Hause. Und was habt ihr die ganze Zeit gemacht? Was habt ihr für eure Stadt gemacht? Gar nichts! Nichts habt ihr gemacht für eure Stadt! Ihr zeigt kein Widerstand! Ihr zeigt nicht, dass ihr die Schnauze voll habt, von diesem Scheiß, was hier passiert (Applaus und Zustimmung vom Publikum) […] Ihr macht nichts! Ihr handelt nicht!“
Angeheizt von der Rede Bührings zeigten einige Teilnehmer nach Beendung des DWS-Aufmarsches ihren Willen zum Widerstand. Trotz der Absprache, dass die Aufmarschteilnehmer aus Sicherheitsgründen polizeilich begleitet zur nächsten Straßenbahnhaltestelle eskortiert werden sollten, blieb ein Großteil zurück und beleidigte die Gegendemonstranten, die sich mit Transparenten am Haltestellenpunkt befanden. Dabei waren Beleidigungen, wie „linke Fotze“ oder „Flittchen“, und Gewaltandrohungen zu Hauf zu hören.
Die Situation drohte zu Eskalieren. Vergeblich versuchte Torsten Schramke die Situation zu schlichten und ermahnte David Bühring, der einer der Ersten war, die nach offizieller Beendung des Aufmarsches das Bier öffneten, mehrfach ein Vorbild zu sein. Erst nachdem die Polizei Personen, die zuvor an der DWS-Veranstaltung teilgenommen hatten, festnahm beruhigte sich die Situation allmählich. Unter ihnen war auch der Versammlungsanmelder der Demonstration David Bühring. So wurde er in einen angrenzenden Supermarkt von der Polizei festgenommen und auf eine Polizeiwache gebracht. Die Polizei gab im Nachhinein über eine Meldung bekannt, dass gegen mehrere Teilnehmer der DWS Kundgebung ein Platzverweis ausgesprochen wurde. Darauf nahmen die Einsatzkräfte zwei Störer wegen nichtbefolgen des Platzverweises in Gewahrsam. Die Polizei ermittelt nun gegen mehrere Personen wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt, versuchter Körperverletzung und das Verwenden von verfassungswidrigen Symbolen.
Aufgrund der aus ihrer Sicht unrechtmäßigen Polizeimaßnahmen gegen die Rechten, ist für den kommenden Samstag ein weiterer DWS-Aufmarsch für 800 Teilnehmer angemeldet. Um gegen Polizei und Behördenwillkür zu demonstrieren, treffen sie sich um 18:00 Uhr auf dem Grunthalplatz in Schwerin.
edit 20.07. 11.00Uhr: einige kleinere Textbausteine umformuliert.
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