Rechtsrock und zerstochene Reifen am Rand des Forstrocks

2016-08-27_forstrock-sokeeAm vergangenen Wochenende veranstaltete  das Künstlerehepaar Lohmeyer zum zehnten Mal das Festival „Jamel rockt den Förster“. Begleitet wurde die zweitägige Veranstaltung von einer rechten Grillparty und Spanferkelessen in unmittelbarer Nähe. Trotz des relativ großen Polizeiaufgebotes konnte ein Übergriff von Unbekannten nicht verhindert und aufgeklärt werden.
 

 „Wir haben Jamel aufgegeben.“

 

Bereits zum zehnten Mal veranstaltete das Ehepaar Lohmeyer das Festival „Jamel rockt den Förster“. Seit 2007 wird mit dem zweitägigen Festival der Dorfgemeinschaft Jamel und ihren Sympathisanten, die vorwiegend den Rest des Dorfes besiedeln, versucht „demokratischen Gegenwind“ entgegen zu blasen. In ihrem Alltag steht das Ehepaar Lohmeyer oft alleine da. Außer eine jährliche Fahrradtour zum ersten Mai durch Jamel, bei dem zumeist unprofessionell mit den rechten Störaktionen umgegangen wird, und dem Aufhängen des Banners „Grevesmühlen bleibt bunt“ bei den Grevesmühlener Stadtfesten ist von anderem zivilgesellschaftlichen Engagement nichts zu merken. Die lokalen Politiker scheinen sich regelrecht davor zu streuben sich intensiv mit der national, befreiten Zone in Jamel auseinander zu setzen. Der Bürgermeister der Gemeinde Gägelow Uwe Wandel, zu der auch das Dorf Jamel zählt, sagte zu Beginn seiner ersten Amtszeit im Jahr 2007 bei Spiegel „Wir haben Jamel augegeben“. Diese Einstellung scheint heute immer noch bei vielen der Lokalpolitiker all gegenwärtig zu sein. Anstatt alle Möglichkeiten, die der Gesetzgeber bietet, aus zu schöpfen, wird auf gezielte Zugüge von Neonazis in das Dorf mit Konzeptlosigkeit und öffentlicher Ohnmacht reagiert.

„Schrei nach Liebe“ beim Forstrock

 

Trotz dieser und vieler anderer Hürden, konnten die Lohmeyers das Interesse an ihrem Festival gegen rechts von Jahr zu Jahr steigern. Was mit einem Sommerfest mit wenigen 100 Besuchern anfing, mauserte sich nun zu einem professionellem Geheimtipp mit über 1000 Gästen. Nachdem im vergangenen Jahr “ Die Toten Hosen“ als Überraschungsakt in dem kleinen Dorf Jamel zum ersten Mal vor ausverkauften Besucherzahlen gespielt hatten, war es kaum vorstellbar, dass dieses Konzert noch übertroffen werden kann. Doch die Zuschauer wurden auch in diesem Jahr nicht enttäuscht. Bereits Tage zuvor war das Festival für den ersten Tag ausverkauft. Die Besucher bekamen die ganz Großen der deutschen Musikindustrie im gemütlich, familiären Ambiente zu sehen. Bands, die normalerweise in ausverkauften Konzerthallen spielen, wie Bela B., Madsen, Fettes Brot, ZSK, Sokee und Tequilla and the Sunrise Band, machten ordentlich Stimmung. Die wohl größte Überraschung stellte ein kleiner aber eindrucksvoller Überraschungsauftritt von „Die Ärzte“ dar und ließ alle Beteiligten völlig ausrasten. Gemeinsam mit dem Publikum sang „Die beste Band der Welt“ ihren Anti-Nazi-Song „Schrei nach Liebe“, während Sven Krüger mit seiner Dorfgemeinschaft auf seinem Hof ein Grillfest veranstaltete.

Zerstochene Reifen

 

2016-08-27_Spanferkelessen-JamelBegleitet wurde das Wochenende von einem relativ großen Polizeiaufgebot. Wie in den vergangenen Jahren auch veranstaltete der bundesweit bekannte Sven Krüger mit seinem Gefolge eine Grillparty und ein Spanferkelessen. Empfangen wurden die Besucher des Spanferkelessens von Krügers Sohn und einem seiner Kameraden im 90er Jahre Skinhead-Outfit – ein Klamottenstil, den Krüger selbst in seinen jungen Jahren getragen hat. Ein Banner mit der Aufschrift „Den ohne Wurzeln trägt der Wind davon“ und dem Logo der Dorfgemeinschaft Jamel klärte sofort die Fronten. 
Als die Bands des ersten Abends ihre letzten Lieder gespielt hatten, war es noch lange nicht ruhig im Dorf. Über die Dorfmitte dröhnte der Rechtsrock aus der Konserve, den die Neonazis bei ihrer Feier hörte. In der Nacht kam es trotz des Polizeiaufgebotes zu einer Attacke auf geparkte Autos. Bei zahlreichen Fahrzeugen wurden von Unbekannten die Reifen zerstochen. Obwohl Festival-Gäste die Reifenstecher bemerkten, konnten die Täter flüchten. Augenzeugen berichteten später, dass es sich um jüngere Personen gehandelt haben soll. 

Provozierende Fotos

 

Aufgrund des großen öffentlichen Interesses an den Veranstaltungen im Dorf, war schon im Vorfeld mit einer Vielzahl an Pressevertretern zu rechnen, die sicherlich auch die seltene Chance nutzen wollten, über das braune Treiben auf der anderen Seite des Dorfes zu berichten. Sobald sich einer der Pressevertreter dem nationalen Grillfest näherte, wurde dieser von den Neonazis lautstark bedroht. Obwohl das Gewaltpotenzial klar von Seiten der Rechten ausging, sah sich die Polizei gezwungen die Pressevertreter zu bitten die Berichterstattung ein zu stellen.
Herr Krüger hätte sich beschwert, man würde die anwesenden Kinder fotografieren. Außerdem habe man kein Interesse daran, dass die Neonazis eskalieren. Man möge mit der Erstellung der Bilder doch bitte nicht provozieren.
In der rechten Szene werden immer wieder Kinder als Vorwand benutzt, um unerwünschte Pressedokumentation von Veranstaltungen zu behindern. Hierbei wird immer wieder von Kadern der Szene behauptet, dass in der Vergangenheit bei Veranstaltungen Fotos von Kindern gemacht wurden und diese später ins Internet gestellt worden wären. Einen Beleg liefern sie meist nicht. Allein die Behauptung und die Androhungen, sollte die Polizei dies nicht verhindern, würden die Kameraden das erledigen, reicht meist aus, dass einige der eingesetzten Beamten die Pressefreiheit behinderten oder gänzlich unmöglich machten.
So auch in Jamel. Einer der Polizeibeamten nötigte mehrfach anwesende Journalisten ihm die erstellten Fotos zu zeigen und wirkte auf sie ein, sodass einige unerwünschte Bilder gelöscht wurden.
Im Problemfeld Jamel glänzt die Polizei in Vergangenheit nicht gerade mit Erfolg. Veranstaltungen, wie die Sommersonnenwende im Sommer 2016, werden unzureichend begleitet. Nicht einmal die Sondereinheit „Mobile Aufklärung Extremismus“, deren Hauptbetätigungsfelder u.a. die extrem Rechte ist, haben die völkisch, nationale Brauchtumsveranstaltung, bei der u.a. HJ-Liedgut gesungen wurde, umfangreich begleitet. Auch die Ermittlungen um den Scheunenbrand bei Familie Lohmeyer, die mittlerweile eingestellte wurden, wurden von unzähligen, polizeilichen Faux pas begleitet.
Die Lohmeyers reagierten auf ihre eigene Art und Weise zum Scheunenbrand und ließen am Jahrestag des Brandes ein Mahnmal, die „Pyromide“, auf dem Platz der abgebrannten Scheune errichten.