Am Samstag, den 05.09.2015, marschierten rund 300 sogenannte besorgte Bürger unter dem Motto „Gemeinsam für die Heimat“ durch die Hansestadt Wismar. Das neu gegründete Bürgerbündnis „Wismar für alle“ feierte ihr Volksfest auf dem Markt, während sich Hinter dem Rathaus eine größere Sitzblockade formierte.
Zivilgesellschaftliches Engagement auf den Straßen
Den Auftakt des Tages machte die Kirche mit einer Willkommenstafel für Flüchtlinge in der Nikolaikirche in Wismar. Bei einem gemeinsamen Brunch konnten Besucher sich mit Flüchtlingen austauschen und neue Kontakte knüpfen. Negativ fiel hier eine größere Touristengruppe auf, die an einer Stadtführung teilgenommen hatte. Beim Besichtigen der Nikolaikirche fielen unter anderem abwertende rassistische Kommentare, wie: „Das sieht hier ja aus, wie auf einem türkischen Basar“.
„Brownis für
Vielfalt“ verköstigt wurden oder durch die Stände des Flohmarktes stöbern konnten. Im Laufe des Tages besuchten ca. 500 Anwohner und Besucher der Hansestadt Wismar den Markt.
Besorgte Bürger?
Gegen 17:00 trafen die ersten sogenannten besorgten Bürger am Treffpunkt ZOB ein. Der rechte Verein „Deutschland wehrt sich e.V.“ meldete in Kooperation mit der seit Juni vorhandenen Facebookgruppe „Wismar gegen Asylmissbrauch“ den Aufmarsch „Gemeinsam für die Heimat“ an. Anmelder am heutigen Tag war David Bühring. Der Schweriner ist fest in den Organisationsstrukturen des Pegida-Ablegers MVgida eingebunden.
Ähnlich wie bei den MVgida-Aufmärschen anfang des Jahres war von den sogenannte besorgten Bürgern, die ihr Gesicht gegen Asylmissbrauch zeigen wollten, wenig zu sehen. Eher vorzufinden, waren vorwiegend glatzköpfige, pöbelnde Neonazis, die an die 90er Jahre erinnerten. Zum guten Ton gehörte es auch, dass sich einige Teilnehmer des Aufmarsches erstmal gewaltig Mut antrinken mussten. Die Polizei verweigerte einigen wegen zu starker Alkoholisierung oder wegen einem offen getragenen Hakenkreuz die Teilnahme an der Veranstaltung.
Zu Anfang etwas verhalten und nahezu schweigend zog der Aufmarsch Richtung Innenstadt. Auch von den üblich dröhnenden Rechtsrock war nichts zu hören, da der Lautsprecherwagen technische Probleme hatte und darüber hinaus einfach für die Teilnehmerzahl zu klein dimensioniert war. Nach etwa 1/3 der Route musste der Aufmarsch von der
Polizei aufgehalten werden. Grund hierfür war eine Sitzblockade auf der Route. Vom Bürgerfest auf dem Markt, welches zur Zeit des Aufzugs eine Teilnehmerzahl von 300 hatte, versuchten 30 Gegendemonstranten den rechten Aufzug durch eine Sitzblockade zu behindern. Schnell solidarisierten sich bis zu 150 weitere Gegendemonstranten, die sich der Blockade anschließen wollten. Dieses wurde durch die aggressiv auftretende BFE (Beweis- und Festnahmeeinheit) der Polizei MV verhindert. Ihr gelang es einen Weg von ca. 3 m zwischen Blockade und Gegendemonstranten einzurichten. Aus der direkt neben der Sitzblockade befindendlichen Gaststätte „Cafe Zentral“, welches ein beliebter Treffpunkt für die lokalen Rechten ist, drangen teils stark alkoholisierte Gäste und bepöbelten die Blockierer. Erst nach mehrmaligen Aufforderungen, hielten es die Polizeibeamten für sinnvoll diese zurück zu drängen.
Nach 10 Minuten Wartezeit setzte sich der Aufmarsch unter einer Fleyeraktion vom Dächern der Altwismarstaße fort. Hier wehten um die 500 Fleyer mit der Aufschrift „Rassismus ist kein Meinung, sondern ein Verbrechen“ von den Dächern auf die Straße. Kaum trafen die Neonazis auf die Sitzblockade und die Gegendemonstranten Hinter dem Rathaus, rasteten sie aus. Die Polizeikräfte waren mit dem hohen Aggressionspotenzial zum Teil überfordert. Engagierte Bürger wurden beleidigt oder bespuckt, anwesende Journalisten wurden von einem, ihn bekannten User der Facebookgruppe
„Wismar gegen Asylmissbrauch“ angegriffen und beleidigt.
nicht liebt, soll Deutschland verlassen!“ dominierte das Bild. An der Claus-Jesup-Straße angekommen, musste der Aufzug warten,
da einige ihre zum Teil mit Bier gefüllten Blasen vor Augen und Kameras der Pressevertreter entleerten. An der Kreuzung Claus–Jesup-Straße/Ulmenstraße formierte sich eine zweite Blockade von 20 Gegendemonstranten. Auch hier leitete die Polizeiführung den Aufmarsch an der Blockade vorbei zurück zum ZOB. Wegen der hohen Anzahl an Gegendemonstranten verzögerte sich die Abreise der Neonazis um ca. 30min.
Who is Who ?
Alles was das nordwestmecklenburger Naziklientel zu bieten hat, fand sich in Wismar auf der Straße wieder. Selbstverständlich ließ es sich der mehrfach vorbestrafte Sven Krüger nicht nehmen mit einem kleinen Teil seines Gefolges aus der „Dorfgemeinschaft Jamel“ vorbeizuschauen. Ebenfalls „Gesicht zeigte“ Rainer Schütt. Freudestrahlend begrüßte er
zu Beginn seine alten Kameraden und hielt mit so einigen ein längeres Pläuschchen. Zusammen mit dem seit langen verschollen geglaubten Käckenmeister und Nancy Barth von der lokalen NPD marschierte er in vorderster Reihe.
Nicht allzu begeistert von der Anwesenheit vieler Journalisten war Torsten Görke. Etwas verhalten versuchte er in der Masse vor den vielen Kameras unterzutauchen. Görke studiert aktuell an der Hochschule in Wismar Wirtschaftsinformatik. Damit reiht er sich in eine Reihe von Jungkadern ein, die ebenfalls in der Hansestadt studieren und studiert hatten. Neben der Teilnahme an einigen
MVgida‚s anfang des Jahres in Schwerin besuchte der ehemalige JN-Stützpunktleiter Salzland zuletzt einen Aufmarsch der Identitären-Bewegung in Wien. In Halle, wo er Gemanistik und BWL studierte, war Görke in der Burschenschaft Germania und als Anti-Antifa-Aktivist aktiv. Mehrfach wurde er dabei beobachtet, wie er antifaschistisch Engagierte bei Veranstaltungen versuchte zu fotografieren. Seitdem es ihn 2013 an die Hochschule Wismar verschlug, versucht er sich im Hintergrund zu halten. Kameras und Journalisten versucht er auf Veranstaltungen eher zu meiden und auch bei
den regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen der rechten Szene, wie z.B. im Thinghaus sind, ist er kaum anzutreffen.


