Am Sonntag, den 08.05.2016, fand der alljährliche Trauermarsch in Demmin unter dem Motto „8. Mai 1945 – Kein Grund zum Feiern. Vergessen wir Tod, Leid und Besatzung nicht.“ statt. Um die 230 Neonazis zogen mit Fackeln und Kränzen von einem Demminer Sportplatz, zum Hafen und wieder zurück. Entlang der Strecke begleitete eine Vielzahl von Gegenaktionen den Trauermarsch.
Der Tag begann um 17.00 mit einer Demonstration von Partein und Verbänden sowie einer Demonstration des Bündnisses „Nicht lange fackeln“ vom Hauptbahnhof. Während ca. 200 Bürger und Politiker durch Demmin zogen, wartete die Antifa-Demo noch auf Busse, die von der Polizei in den Vorkontrollen festgehalten wurde. Nach Eintreffen der drei festgesetzten Busse, in denen sich auch ein Großteil der Ordner befanden, startete auch die Antifa-Demo ihren Aufzug durch die Innenstadt Demmins.
Schon zu Beginn wurde am Rande der Antifa-Demo von mehreren Pressevertretern die Personalien grundlos aufgenommen und diese dann teilweise durch die Polizeibeamten der „Beweis und Festnahmeeinheit“ (BFE) abgefilmt. Auf ca. der Hälfte der Strecke wurde dann wieder ein Pressevertreter von der BFE MV unter fadenscheinigen Begründungen festgesetzt. Nur durch das entschlossene Auftreten der Antifa-Demonstration, die sich daraufhin weigerten ihre Demo weiter zu führen, der Einsatz der Landtagsabgeordneten Babara Borchert und das Kontaktieren eines Anwaltes, wurde dem Pressevertreter das Fortführen seiner Arbeit ermöglicht.
Schweigend durch Demmin
Ab 19.00 Uhr trafen sich ca. 230 Neonazis auf einem Parkplatz am Demminer Stadion. Unter den Teilnehmern des sogenannten „Ehrendienst“ fanden sich, wie nahezu jedes Jahr, Mitglieder der NPD -Landtagsfraktion, wie Udo Pastörs und Michael Andrejewski, ein. Aus Westmecklenburg reisten Mitglieder der Freien Kameradschaft Wismar, Dorfgemeinschaft Jamel , Freie Kräfte Neukloster und des Gemanisches Bollwerks Mecklenburg an. Auffällig war das Fernbleiben eines Teil der in der Sommerpause befindlichen MVgida-Organisatoren und NPDler Andreas Theißen sowie Antje Mentzel oder die NPD-Landtagsabgeordneten Stefan Köster und Tino Müller.
Nach einer kurzen Einweisung der Ordner, Fackel- und Kranzträger und dem Verlesen der Auflagen, startete der Aufzug in Richtung Hafen. Im Vergleich zu den Vorjahren konnten die meist schweigende Teilnehmer den Weg zum Bahnhof ohne Zeit verzögernden Blockade-Aktion bewältigen. Einzig eine Blockadeaktion von Landespolitikern der Partei „Die LINKE“ stoppte den Aufzug für ca. 15 Minuten. Nach der dritten Auffordeung der Polizei verließen sie selbständig die Aufmarschstrecke der Neonazis.
Besonders kreativen und mutigen Gegenprotest lieferte ein Musiker-Sechstet, was kurzer Hand ein Konzert auf der Route veranstaltete. Trotz mehrmaligen Aufforderungen der eingesetzten Bereitschaftspolizei und des „Konfliktmanagement“ der Polizei spielten sie routiniert ihr Freiluftkonzert. Anscheind durch die große Aufmerksamkeit der Pressevertretern entschied sich die Einsatzleitung, die begonnende Räumung aus zu setzen und die Neonazis direkt an die Musiker vorbei zu führen. Während des Vorbeizuges des Trauermarsches spielten sie das Lied „Bella Ciao“. Der Text, dessen Autor unbekannt ist, lobt den Freiheitskampf der Partisanen in Italien gegen den Faschismus während des Zweiten Weltkrieges und gedenkt der toten Partisanen, die als Helden betrachtet werden. Im Anschluss mussten sich alle Musiker einer Personalienaufnahme und der mutmaßlichen Einleitung eines Strafverfahrens unterziehen.
Eine weitere Blockade von ca. 15 Menschen wurde zeitgleich von einer Niedersächsichen BFE geräumt. Hierbei wurden mehrfach schmerzhafte und erniedrigende Griffe ins Gesicht von Seiten der Beamten vorgenommen.
Law and Order-Politik Caffiers trägt Früchte
Weiterer Protest in Sicht-und Hörweite wurde durch mehrere Kundgebungen und Mahnwachen ermöglicht. Allerdings wurden die Teilnehmer, vor allem am Demminer Speicher, gekesselt und längere Zeit festgesetzt. Wiederholt trat vor allem die BFE aus Mecklenburg Vorpommern durch agressives und eskalierendes Verhalten in den Vordergrund. Demonstranten wurden ohne vorherige Kommunikaton geschubst und in mindestens einem Fall auch zu Boden gerungen.
Auch wurde, wie bereits am vergangenen Wochenende zum 1. Mai in Schwerin, gezielt, mehrfach Pressevertreter durch Polizeibeamten abgelichtet und Personalien aufgenommen bzw. abgefilmt. An anderer Stelle wurde ein Pressevertreter das Passieren einer Polizeiabsperrung durch eine Brandenburger Polizeibeamtin grundlos verwehrt. Eine polizeiliche Maßnahme fand zu diesem Zeitpunkt nicht statt. Der junge Fotojournalist war dadurch in seiner Berichterstatung stark eingeschränkt.
Ehrendienst in Bestzeit
Beim Kundgebungsort am Hafen angekommen, stellten sich die Teilnehmer des „Ehrendienstes“ im Viereck auf und lauschten einer Rede vom NPD-Landtagsabgeordneten David Petereit. Er erzählte darüber, was aus seiner Sicht im Frühjahr 1945 in Demmin stattgefunden habe. Er beendete seine Rede mit den Worten: „Für mich steht fest, jeder Widerstand gegen diese Horden, war bis zur letzten Patrone gerechtfertigt. Sie kamen als Besatzer um unseren Volk die Freiheit zu nehmen. Der 8 Mai ist für uns kein Tag zu feiern. Wir vergessen weder Tot, Leid noch Besatzung“. Während der zweite Redner Adrian Wasner eine Art Gedicht wiedergab, gingen zwei Frauen mit einen Kranz zur Kaikante und warfen diesen ins Wasser. Aufsehen sorgte eine Gruppe Antifaschisten auf dem anderen Ufer während des Höhepunktes des Tages mit der Kranzniederlegung, die ca. zehn aufgeblasene Gummipuppen zur gleichen Zeit ins Wasser warfen.
Der Rückweg des Trauermarsches mit wenigen Fackeln zurück zum Auftaktort verlief nahezu ungestört.
Wieder einmal konnten die Neonazis um NPD und freie Kameradschaften sich innerhalb einer Woche über einen erfolgreichen Aufmarsch freuen. Dank eines Raumschutzkonzept mit einem Wanderkessel rund um den Trauermarsch, indem nahezu jede Kreuzung entlang der Aufmarschroute durch sogenannte Hamburger Gitter und Einsatzfahrzeuge hermetisch abgeriegelt wurde, konnten der diesjährige Trauermarsch in Demmin ohne größere Verzögerungen stattfinden. Kritisch zu betrachten ist das zunehmende Einschränkung der Pressefreiheit am Rande von Neonazi-Aufmärschen. Es bleibt ab zu warten, ob der Innenminister MV’s Lorenz Caffier weiterhin im Landtagswahlkampf auf „Law and Order“-Politik setzen wird und mit diesem selbst gesetzten Schwerpunktthema die AFD rechts überholen wird.
Mehr Bilder auf unserem Flickraccount: