„AfD raus aus dem Rathaus!“

Mehr als 120 Schweriner geben sich mit dem Gerichtsbeschluss zur Rechtmäßigkeit der JA-Veranstaltung mit dem Sprachrohr der Neuen Rechten Götz Kubitschek im symbolträchtigen Demmlersaal im Schweriner Rathaus nicht zufrieden. Ein paar der Gegenprotestler blockierten beim Eintreffen Kubitscheks den Eingang zum Rathaus, sodass dieser sich mit seinem Geleit den Weg erst freikämpfen musste.

Unter Vortäuschung falscher Tatsachen, so die Stadt Schwerin, lud die AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ zu einer Vortragsveranstaltung in das Schweriner Rathaus ein. Als bekannt wurde, dass es sich bei dem Referenten um den neu-rechten Vordenker Götz Kubitschek handelt, versuchte die Stadt den Mietvertrag mit der JA aufzukündigen. Der Auftritt sei mit der Würde des Hauses unvereinbar, so die Stadt gegenüber dem NDR. Der Demmlersaal, in dem die Veranstaltung stattfinden soll, sei die Herzkammer der Demokratie der Landeshauptstadt und kein Ort für Rechtsextremismus, so Schwerins Stadtpräsident Sebastian Ehlers weiter. Gegen die Kündigung zog die JA mit Erfolg vor Gericht. Demnach bestünde nicht die Gefahr einer Verletzung von Strafvorschriften oder die Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder eine Gefährdung einrichtungsbezogener Belange durch eine Vortragstätigkeit. Darüber hinaus gehe es beim geplanten Kubitschek-Auftritt um die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit, bei der der Demmlersaal als „Forum der Meinungsfreiheit“ fungiere. Eine Beschwerde der Stadt gegen das Gerichtsurteil wurde am Freitag vom Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die Veranstaltung fand also wie geplant am Samstag, den 16. März 2024, im Demmlersaal im Schweriner Rathaus statt.

Mehr als 120 Schweriner, Bürger, Antifaschisten, Mitglieder von Parteien und Initiativen fanden sich mit Transparenten und Schildern am Abend zu einer spontan angemeldeten Kundgebung vor dem Rathaus auf dem Marktplatz ein. „AfD raus aus dem Rathaus!“, forderten sie lautstark und wurden von Musik sowie einer Trommelgruppe unterstützt. Mehrfach wurden sie von den AfDlern versucht zu provozieren. Auch wenn es das Gericht und die AfD selbst als „Forum der Meinungsfreiheit“ deklariert, war fast ausschließlich deren eigene Klientel als Teilnehmende vor Ort. Als Journalisten wurden nur bestimmte auserwählte reingelassen – und das auch nur mit vorheriger Anmeldung. Was den Linken und Leiter des Demokratiezentrums Westmecklenburg Daniel Trepsdorf dazu bewegt hatte, diese Veranstaltung zu besuchen, bleibt ein Rätsel. Spätestens seit dem Sitz der NPD im Landtag sollte doch auch beim Letzten angekommen sein, dass die Strategie des „Entzauberns“ nicht funktioniert. Es macht keinen Sinn mit Menschen mit einem gefestigt rechten Weltbild – und hier reden wir im Speziellen von Personen bzw. einer Organisation, die als extrem rechter Verdachtsfall beim Verfassungsschutz geführt wird –  rational zu diskutieren, da deren Argumente nicht auf Fakten oder wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Vielmehr unterstützt er mit seiner Anwesenheit die Normalisierung der Narrative der Neuen Rechten und die generelle Legitimation dieser Veranstaltung in Räumlichkeiten der Stadt. Und welch eine Überraschung, gegenüber dem NDR äußerte er sich nach der Veranstaltung, dass Kubitschek „Kreide gefressen“ hätte und einen eher gemäßigten Vortrag hielt.

Kurz nach 19:00 Uhr wartete alles auf den Start, die AfDler wirkten leicht nervös, telefonierten hektisch – die Prominenz aus Schnellroda ließ auf sich warten. Eine kleine Gruppe Antifaschisten besetzten kurz entschlossen die Rathaustreppe, sodass niemand mehr rein oder raus kam. Erst lachten die AfDler noch darüber, wohl nicht wissend, wie ungünstig dieser Zeitpunkt war. Die Einsatzleitung gewährte der Sitzblockade 5 Minuten Protest auf der Treppe bevor sie anfangen würde zu Räumen. Hektik machte sich breit und unter den Polizeikräfte wurde schon durchgegeben, dass Kubitschek in wenigen Minuten eintreffen wird. Gerade als die erste offizielle Durchsage der Polizei zur Räumung der Blockade erfolgte, stand Kubitschek mit Anhang  Daniel Fiß, der ehemalige stellvertretende Vorsitzende der „Identitären Bewegung“, sowie Nikolaus Kramer, Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion, auch schon da.

Dem Dreiergespann verging schnell das Lachen als sie die von Polizeikräften umringte Rathaustreppe mit der Sitzblockade sah. Die Anweisung der Polizei, sie sollen doch bitte warten, bis die Maßnahme beendet sei, ignorierten sie – immerhin warteten die Teilnehmenden schon mehr als eine halbe Stunde auf den Stargast. Ungeduldig drängten sie sich durch die Polizeikette und wollte die Treppe besteigen. Daniel Fiß sowie ein Ordner der AfD-Veranstaltung versuchten die Blockierenden von der Treppe zu zerren und wurden dabei handgreiflich. Als Fiß den Weg für Kubitschek und Kramer freigeräumt hatte, wurde dieser von der Polizei weggezogen – immerhin lief eigentlich gerade die Maßnahme der Polizei, die Blockade aufzulösen. Daraufhin wurden die Personalien des Ordners aufgenommen und Fiß musste sich Gedulden bis der Weg wieder frei war. Friedlich und selbstständig löste sich die Sitzblockade noch vor der dritten und letzten Durchsage der Polizei zur Räumung auf. Die Kundgebung zeigte nochmal lautstark und weiterhin friedlich ihren Unmut gegenüber der rechten Veranstaltung und wurde dann gegen 21:00 Uhr beendet.

Im Anschluss der Veranstaltung besuchte Kubitschek mit einigen anderen AfDlern noch die Räumlichkeiten im Landtag, wo sie bis kurz nach Mitternacht blieben. Gegen den handgreiflich gewordenen Ordner wurde laut Polizeimeldung ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Körperverletzung gegen einen der Blockadeteilnehmenden eingeleitet.