„Extinction Rebellion“ in Wismar

Am Donnerstag, den 09. Januar 2020, veranstaltete die Protestbewegung „Extinction Rebellion“ einen Vortrag in der Heilig-Geist-Kirche in Wismar. Mit Theorien über den bevorstehenden Weltuntergang versuchten die Anhänger der Bewegung neue Begeisterte zu finden, die sich den Aktionen anschließen.

Wir werden alle sterben!

Seit 2018 ist die Klima-Protestbewegung „Extinction Rebellion“ mit Ursprung in England aktiv und veranstaltet immer mehr Aktionen auch in Deutschland. Mit ihren Aktionen, die sie selbst unter die Überschrift „ziviler Ungehorsam“ stellen, versuchen sie auf das Thema Klimakrise aufmerksam zu machen. Laut eigenen Angaben wollen sie eine Störung in der Gesellschaft erzielen, um so eine größtmögliche Öffentlichkeit auf die Klimakrise zu richten. Eigene Lösungsansätze zur Bewältigung der Klimaprobleme bieten sie allerdings nicht an, ihnen geht es lediglich um das Schaffen einer Öffentlichkeit. Von den einzelnen XR-Aktivisten wird dabei erwartet, dass sie auch persönliche negative Erlebnisse in Kauf nehmen, um das öffentliche Interesse an der Klima-Thematik zu erhöhen. Im speziellen bedeutet das z.B. bei einer Störaktion das Aushalten von Polizeirepressionen oder nachträgliche rechtliche Auseinandersetzungen, wenn z.B. wegen begangener Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten ermittelt wird. Die einzelnen Anhänger der XR-Bewegung müssen sich 10 dogmatischen Prinzipien unterordnen und nach ihnen handeln.
Mittlerweile ist die XR-Welle auch in Mecklenburg-Vorpommern angekommen. Die Ortsgruppe Rostock veranstaltete gemeinsam mit den Wismarern Rebellen einen Vortragsabend, um neue Anhänger zu werben. Rund 20 Interessierte fanden sich zu dem Vortrag in der Heilig-Geist-Kirche ein. Ein Teil des Abends umfasste ein pseudowisschenschaftlichen Abriss über den aktuellen Kenntnisstand im Bezug auf den Klimawandel. Die Zuschauer wurden mit Zahlen und angeblichen Fakten überschüttet, die alle auf das gleiche Ergebnis abzielen: Über kurz oder lang wird die Erde untergehen. Ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit diese Weltuntergangstheorien eintritt, wurde nicht beleuchtet. Auch wurde sich jeglicher Diskussion über diese von ihnen präsentierten Fakten entzogen, indem bereits am Anfang darauf hingewiesen wurde, die Vortragenden wären keine Wissenschaftler und präsentieren nur Fakten. Den Zuschauern blieb also nichts weiter übrig, als diese Panikmache vor den bevorstehenden Weltuntergang hinzunehmen.

Von der Dürre zum ansteigenden Rechtspopulismus

In den Augen der XR-Referenten ist die Bekämpfung der Klimakrise, der Schlüssel für den Sieg über alles Unheil auf der Welt. So gab es während des Vortrags eine Ausführung über die Entstehung des Rechtspopulismus in Europa. Nach ihren Erzählungen begann alles mit einer Dürre von 2006 bis 2011 in Syrien, welche schlussendlich in einem Bürgerkrieg endete. Als Resultat flüchteten 1.5 Mio Menschen in die Städte, was zu sozialen Spannungen führte, die letztendlich den Syrienkrieg auslösten. Aufgrund des Krieges gab es für viele Menschen keine Lebensgrundlage mehr, sodass sie sich auf die Flucht Richtung Europa aufmachten. Nach der Analyse des XR-Referenten sorgten die steigenden Zahlen an Migranten für ein Erstarken des Rechtspopulismus in Europa. Auf eine Anmerkung im Zuschauerraum, dass das doch ein wenig kurz gefasst sei und als Stichwort das Assad-Regime genannt wurde, reagierte der Vortragende kaum. Ungeachtet in der XR-Analyse über den Syrienkrieg bleiben die damaligen politische Gegebenheiten in Syrien und dem arabischen Raum. XR macht es sich an dieser Stelle sehr einfach, komplexe politische und soziale Probleme als Folge eines Klimawandels zu erklären. Die Ausführung zielte einmal mehr darauf ab, ihre endzeitähnlichen Szenarien zu bebildern, die nach ihren Ausführungen der Menschheit drohen, sollte nichts gegen den Klimawandel getan werden. Der gesamte Vortrag glich eher einer Populismus-Veranstaltung, die durch Angst schüren vor dem heraufbeschworenen Weltuntergang neue Anhänger für ihre Bewegung rekrutieren wollten, als einer sachliche Auseinandersetzung mit dem Klimawandel und was dagegen unternommen werden kann.

Wismarer erteilen XR eine Absage

In der Öffentlichkeit hagelt es seit geraumer Zeit Kritik für „Extinction Rebellion“. Vor allem die heraufbeschwörenden Endzeitszenarien über den Weltuntergang und die Organisationsstruktur, veranlassen einige Politikexperten sie in eine sektenähnliche Gemeinschaft einzuordnen. Kritik, die auch in Wismar nicht ungehört geblieben ist. Die Gruppe hatte Probleme einen geeigneten Veranstaltungsort zu finden. Laut einem Bericht der Ostsee-Zeitung reservierte ein Herr aus dem Rathaus einen Tisch für 20 Personen im Restaurant „Krohn – Essen & Trinken“. Als der Inhaber des Lokals durch die öffentliche Werbung erfuhr, wer sich da genau einen Tisch reserviert hattte, machte er von seinem Hausrecht gebrauch und sagte den Veranstaltern ab. Laut Berichterstattung habe man sich über die Gruppe informiert und ist mit deren Aktionen sowie Forderungen gegen z.B. dem Ausbau der Kreuzschifffahrt in Wismar nicht konform. Das Restaurant Krohn war nicht die einzige Örtlichkeit, die den Rebellen abgesagt hatte. So gab es mindestens eine weitere Absage u.a. aufgrund der fehlenden Abgrenzung ins rechte Spektrum.

Gelebte Querfront

Die noch junge Klima-Protestbewegung stand vor allem gegen Ende letzten Jahres aufgrund einiger Aussagen einer der XR-Mitbegründer Roger Hallam in der öffentlichen Kritik. So relativierte Hallam u.a. den Holocaust und hielt klar alle Türen für menschenfeindliche Personen offen. Mittlerweile hat sich die XR-Bewegung in Deutschland zu den Äußerungen Hallams distanziert. Trotz der öffentlichen Auseinandersetzungen mit den Geschehnissen zu Hallam fehlt weiterhin eine klare Abgrenzung zum rechten Spektrum und deren Ausläufer. Das 6. Prinzip von XR besagt: „Alle sind willkommen – so wie sie sind.“ In einem internen Infoblatt zum Thema Querfront, was nach den Diskursen um Hallam entstanden ist, wird dieses Prinzip genauer erläutert. Generell steht XR hinter der Querfront-Strategie. Dementsprechend ist es erwünscht, dass möglichst viele Menschen sich ihnen anschließen, egal welche Ideologie sie verfolgen, solange die 10 Prinzipien von XR eingehalten werden. In dem Infoblatt heißt es dazu genauer: „Ein gemeinsames Ziel (z.B. der Kampf gegen die Klimakatastrophe) kann solche Reibungen [zwischen z.B. links und rechts] eine Zeit lang verhindern. Aber irgendwann treten sie zutage und bieten die Chance, voneinander zu lernen und sich zu öffnen – oder die Gefahr von Brüchen.“ Zwar wird in dem Infoblatt weiter ausgeführt, dass diskriminierende Verhaltensweisen nicht geduldet werden, da sie gegen das 6. Prinzip verstoßen, allerdings wird dieses relativiert, indem zwischen bewussten und unbewussten Verhaltensweisen unterschieden werden.
Die Widersprüche, die das 6. Prinzip mit sich bringt, wurden kurz während der Diskussionsrunde in Wismar angemerkt. Ein Teilnehmer äußerte Bedenken, ob die Neonazis die Bewegung nicht für die eigenen Zwecke infiltrieren und instrumentalisieren könnten. Dieser Einwand wurde von den XR-Aktivisten belächelt, da dies bis jetzt noch nicht vorgekommen sei. Ob diese Einschätzung richtig sei, ist zu bezweifeln. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Neonazis derartige Gruppierungen vereinnahmen. Wie XR selbst in dem Infoblatt analysiert gibt es diverse Ansatzpunkte für rechte Parteien und Gruppierungen. Das 6. Prinzip und die Auffassung, man müsse möglichst viele Menschen gegen die Klimakrise auf die Straße bringen, schließt eine Beteiligung von rechts nicht aus.