Tollensemarsch 2020 in Neubrandenburg

Am vergangenen Samstag marschierten 53 Neonazis in und um Neubrandenburg zu ihrem alljährlichen „Tollensemarsch“. Der Marsch entlang der knapp 40 km langen Strecke verlief in diesem Jahr ruhig und wurde von keinerlei Gegenprotest begleitet.

Knapp 40 km Gewaltmarsch

Pünktlich zum letzten Wochenende im Februar versammelten sich in Neubrandenburg bis zu 60 Neonazis zu ihrem alljährlichen „Tollensemarsch“, der um den gleichnamigen Tollensesee führt. Die meisten trugen Wanderoutfits in olive-grün oder camouflage und vermummten sich während sie durch Neubrandenburg marschierten, wohl aus Angst vor Fotografen. Die Truppe erinnerte eher an einen Militärtross als an eine fröhliche Wandergesellschaft. Ziel des konspirativ beworbenen Gewaltmarsches ist es, die knapp 40 km an Strecke zu bewältigen, was mit einem sogenannten „Leistungsabzeichen“ honoriert wird. Bei dem Gewaltmarsch geht es nicht darum, entspannt mit seinen Kameraden die Natur zu genießen, sondern den eigenen Körper und Geist abzuhärten. Einige der Teilnehmer sehen das wohl als Wettrennen und bezwangen Teile der Strecke im Jogging-Tempo. In diesem Jahr musste auch ein schätzungsweise 10-jähriges Kind an dem Gewaltmarsch teilnehmen – eine fragwürdige Erziehungsmethode, vor allem im Hinblick auf fehlende professionelle medizinische Betreuung. Derartige Abhärtungspraktiken bei Kindern sind immer wieder innerhalb der rechten Szene zu beobachten, wie bei den Lagern oder Wanderungen des „Sturmvogels“ oder der verbotenen „Wiking Jugend“.

III. Weg und NPD gehen Wandern

Das Interesse an dem „Tollensemarsch“ ist innerhalb der rechten Szene weiterhin groß. In diesem Jahr reisten die Neonazis aus Schleswig-Holstein, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern an. Aus Nordwestmecklenburg nahm Tino Streif, Teil der kameradschaftsähnlichen Struktur „Dorfgemeinschaft Jamel“ und Mitglied der „Wählergemeinschaft Heimat“, am diesjährigen Marsch teil. Ganz selbstverständlich marschierten Mitglieder der NPD, wie Tino Müller oder David Petereit, der als Organisator des „Tollensemarsch“ gilt, neben Anhängern vom III. Weg, unter ihnen auch Matthias Fischer. Der aktuell in Brandenburg wohnende Fischer ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei III.Weg und „Gebietsverbandsleiter Mitte“, was die Leitung über die Bundesländer Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin umfasst. Neben den Aktivitäten bei der Partei war Fischer Anführer der Kameradschaft „Freie Kräfte Süd“ und wird, wie der NPDler David Petereit auch, mit den NSU in Verbindung gebracht.

Falsches Zeichen der Zivilgesellschaft

Die Route startete in Neubrandenburg und führte durch einige Dörfer rund um den Tollensesee. Abermals passierten die Neonazis auch das „Alternative Jugendzentrum“ (AJZ) in Neubrandenburg. In der Regel wird der „Tollensemarsch“ konspirativ beworben. Fremde, nicht angemeldete Personen sind unerwünscht. In den vergangenen Jahren wurde es trotz des unklaren Termins mehrfach geschafft, zumindest punktuell Gegenprotest den Neonazis entgegen zu setzen – ob ein paar Transparente am AJZ aufgehängt oder eine Gegenkundgebung in der Nähe des Startpunktes angemeldet wurde. In diesem Jahr fiel der Protest aus. Die einzigen Personen an der Strecken, neben der verwirrt schauenden Anwohnern, waren zeitweise lediglich einige wenige Polizeibeamte, die die Route absicherten. Die rund 55 Neonazis marschierten ungestört entlang der knapp 40 km.

Mehr Bilder auf unseren Flickraccount

Tollensemarsch 2020