Erneutes Aufstreben oder die letzten Zuckungen?

Zum Tag der deutschen Einheit, am 03. Oktober 2020, organisierte die „Identitäre Bewegung“ drei Infotische in jeweils einer Stadt in Mecklenburg – Parchim, Wismar und Güstrow. Der Tag floppte: Die drei IBler schafften es weder neue Mitglieder zu werben noch vorbeilaufende Passanten inhaltlich zu erreichen.

Nachdem ein Großteil der sozialen Kanäle der „Identitären Bewegung“ im Juli gelöscht wurden, starteten sie ihre „Sommertour“ unter dem Motto „Unser Büro ist die Straße“. Mit ihrer „IB Zonentour“ wollen sie „in den kommenden Wochen in 100 Städten in ganz Deutschland präsent sein“. Da ihre „Aktionen […] immer von direkter Präsenz und Konfrontation vor Ort geprägt“ waren, wollen sie so die „aktivistische Jugendbewegung“, ihren „Markenkern“, auf der Straße erreichen. Ihre neu-rechte Ideologie können sie nicht mehr über das Internet unter die Menschen bringen, deshalb versuchen sie es nun auf die herkömmliche, analoge Art und Weise. Auch in Mecklenburg-Vorpommern machte an den vergangenen zwei Wochenenden die IB-Sommertour halt, um „von Angesicht zu Angesicht das Gespräch mit den Bürgern unseres Landes zu suchen“. Am ersten Wochenende war die Region Vorpommern mit Stralsund, Demmin und Binz als Zielort auserwählt worden, um ihr selbstgestecktes Vorhaben die „aktivistische Jugendbewegung“ zu erreichen. Am darauffolgenden Wochenende besuchten sie Mecklenburg.

Infostand im menschenleeren Parchim

Die IB-Aktivisten, unter ihnen auch Daniel Sebbin und ein Aktivist der „Jungen Alternative“, starteten ihre Infotour pünktlich um 10:00 Uhr in Parchim auf dem Marktplatz. Ein wenig verwirrt schauten anwesende „Seebrücken“-Aktivisten, die am Nachmittag eine Bass-Demo durch Parchim veranstalteten, und die dazugehörigen Polizeibeamten, als plötzlich die drei IBler den Markplatz betraten und ihr gelb-schwarzes Tischchen aufbauten. Nach einer kurzen Klärung mit der Polizei durften sie dann ihre Flyer unter das Volk bringen. Nur, wo blieb das wissbegierige Volk? Wie in so ziemlich jeder Kleinstadt, die nicht gerade vom Tourismus überschwemmt wird, bot sich an diesem Samstag, der noch dazu ein Feiertag war, das übliche, triste und menschenleere Bild. Da nicht einmal der Bäcker um die Ecke geöffnet hatte, waren einfach keine Menschen zu der Uhrzeit in Parchim unterwegs. Lediglich zwei einzelne Neonazis mit Retro-Charme überquerten zufällig den Marktplatz, weil sie sich eigentlich die „Seebrücken“-Aktion anschauen wollten. Sie ließen sich auf einen kurzen Smalltalk mit der IB ein und nahmen brav die Infomaterialien entgegen.

IB zu Boden gequatscht

Gegen 13:00 Uhr bauten die IB-Aktivisten ihr Info-Tischchen in Wismar auf. Wismar zählt zu einer der von Touristen beliebten Städte. Die Straßen waren also dementsprechend voll und es wäre ein Leichtes gewesen, die Flyer unter den Menschenmassen zu verteilen. Dennoch platzierten sie ihr Tischchen nicht mitten im Getümmel, sondern fernab in unmittelbarer Nähe zur Polizei, wo sich kaum andere Menschen hin verirrten. Ihr gewünschtes jugendliche, aktive Klientel konnten sie so nicht anlocken. Stattdessen gesellten sich nach kurzer Zeit zwei linksalternative Personen zu dem Stand. Sie fingen ein Gespräch mit den IBlern an. Die Aktivisten wurden gute 45 Minuten in Beschlag genommen, sodass sie weder weiter ihre Flyer verteilen konnten noch jemand überhaupt erkennen konnte, welche Organisation dort gerade Werbung macht. Erst als die IBler deutlich genervt ihre Sachen zusammenpackten, ließen sie die beiden Linksalternativen ziehen.
Die Polizei war in Wismar nicht vor Ort. Lediglich ein Streifenwagen fuhr einmal vorbei, hielt aber nicht an.

Endstation: Güstrow

Die letzte Station ihrer Infotour am vergangenen Samstag war der Güstrower Marktplatz. Die Stadt war zwar ebenfalls deutlich belebter als Parchim, aber von den aktiven Jugendlichen fehlte auch hier jede Spur. Ein paar wenige vorbeigehende Passanten ließen sich einen Flyer in die Hand drücken – so wie man das ebend macht, wenn wieder einmal irgendein Stand in der Fußgängerzone steht und man sich aus Höflichkeit was in die Hand drücken lässt. Auf großes Interesse für ihren Infotisch stießen die IBler aber auch in Güstrow nicht. Kurzzeitig kam die Polizei vorbei, um nach den Rechten zu sehen. Sie fuhren allerdings auch gleich wieder.

Die Stationen der IB-Sommertour in Mecklenburg zeigen erneut auf, dass die Hochzeiten der selbsternannten Bewegung vorbei sind. Die letzten Ereigniss, wie die Einstufung als „rechtsextrem“ vom Bundesverfassungsschutz, das Auffliegen der Verbindungen des österreichischen IBler Martin Sellners zum Christchurch-Attentäter oder die Löschung ihrer wichtigen Social-Media-Kanäle, waren für die „Identitäre Bewegung“ einschneidende Wendepunkte. Außerhalb der social-media-Blase, die ihnen nun nicht mehr im vollen Umfang zur Verfügung steht, schaffen sie es nicht ihre gewünschte „aktivistische Jugendbewegung“ auf den Straßen zu mobilisieren.