NPD zurück aus dem Homeoffice

Seit 2 Jahren Demopause meldet sich die NPD mit einem Aufmarsch zum 1. Mai in Greifswald aus der Vergessenheit zurück und beginnt so ihren Wahlkampfauftakt. Eine Massenblockade zwang die Neonazis nach 1 km auf ihrer Marschroute umzudrehen.

Es sollte ihr großer Moment werden …

Nach gut zwei Jahren fand am vergangenen Samstag wieder ein NPD-Aufmarsch in Mecklenburg-Vorpommern statt: Unter dem Motto „Deutsche Arbeiter heraus zum 1. Mai! Unser Land braucht Zukunft!“ rief die NPD zum diesjährigen Arbeiterkampftag nach Greifswald auf. Eigentlich hätte es ihr großer Auftritt werden sollen – die rechte Partei, die schon für tot erklärt wurde, tritt in voller Stärke zu den kommenden Landtagswahlen an und startet ihren Wahlkampfauftakt in der „linken Hochburg“ Greifswald. Selbst schrieben sie auf ihrer Facebook-Seite im Vorfeld, sie rechnen mit mehr als den bewilligten 300 Teilnehmern. Es war sogar ein eigener Block der „Jungen Nationalisten“ angekündigt. Doch dann kam alles anders.
Die ersten Neonazis trafen sich bereits ab 12:00 Uhr am Startpunkt, dem Bahnhof in Greifswald. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren zwei Gegenkundgebungen direkt vor Ort und beschallten die Neonazis mit ihrem Protest. Diese nutzten die lange Wartezeit, um noch das letzte Bier vor Veranstaltungsbeginn zu zischen – auf das Tragen von Mund-Nase-Schutz legten sie keinen Wert, auch Abstandsregeln wurden nicht eingehalten. Selbst nachdem die Polizei die anwesenden Neonazis auf die Corona-Landesverordnung hinwies, wurde dies schlicht ignoriert. Als Frank Franz, der Spitzenkandidat zur kommenden Landtagswahl, den Platz betrat, wurde ihm kaum Beachtung geschenkt. Abseits vom angetrunkenen Mob setzte er sich und wartete geduldig auf die Veranstalter.
Den ersten großen Rückschlag erlitt die NPD als am Bahnhof 70 Teilnehmer aus anderen Bundesländern aufgrund des aktuell pandemiebedingten Einreiseverbotes abgewiesen wurden. Dementsprechend fiel auch der organisierte JN-Block im Aufmarsch kleiner aus – der Beginn einer Reihe von Rückschlägen.
Mit rund 260 Teilnehmern startete die NPD mit der üblichen Verspätung routiniert ihren Aufmarsch – die angekündigten mehr als 300 Teilnehmer erreichten sie nicht. Ständig wurden sie von einer Masse an Gegenprotest hinter den Polizeiabsperrungen begleitet. Am Ikuwo, einem links-alternativen Wohn- und Kulturprojekt, gab es die nächste lautstarke Gegenkundgebung. Kurz bevor es direkt in die Innenstadt gehen sollte, stoppte der Neonazi-Aufmarsch abrupt: Deutlich mehr als 1000 Gegendemonstranten, abgetrennt durch einen Wasserwerfer und Hamburger Gitter, versperrten den Weg an der Europakreuzung. Gerade einmal 1 Kilometer geschafft und plötzlich ging Nichts mehr. Der Plan den Neonazi-Aufmarsch durch eine abzweigende Seitenstraße zu führen, wurde schnell verworfen, als sich auch dort überraschend eine Sitzblockade bildete. Der NPD blieb nichts anderes übrig, als mit gesenktem Haupt den Rückweg zum Bahnhof anzutreten.

Über das „größte Freilichtirrenhaus der Welt“

Zurück am Ikuwo, einem wie Stefan Köster es ausführte, „linksextremen, kriminellen, antifaschistischen Zentrum“, welches das Spiegelbild der Hansestadt darstelle, fand die Zwischenkundgebung der NPD statt. Begleitet von sehr lautem, anti-deutschen Elektro-Punk startete Frank Franz mit seinem Redebeitrag und war sichtlich wütend über den massiven Gegenprotest sowie die Abweisung der 70 jungen Kameraden aufgrund des allgemeinen Einreiseverbot. Er redete sich in Rage über die üblichen Themen wie die Bundesrepublik, die er als „größtes Freilichtirrenhaus der Welt“ betitelte, den sogenannten Genderwahnsinn, die „Lüge der Meinungsfreiheit“ und wies die Teilnehmer auf die anstehenden Wahlen hin.
Dem Landesvorsitzenden Stefan Köster sind vor allem die aktuellen Corona-Maßnahmen ein Dorn im Auge. Mit malerischen Details schmückte er die Geschichten seines Redebeitrags, die deutlich machen sollten, wie unmenschlich die Verordnungen seien. Auch ihm sind die Gegendemonstranten, die er als „Merkelkonsorten“ oder „Prügelknaben des Merkelregimes“ beschimpfte, sauer aufgestoßen.
Auf der Abschlusskundgebung am Bahnhof redete Udo Pastörs, der eigentliche Star unter den Kameraden, der die NPD zwei Legislaturperioden im Landtag geführt hatte. Zur anstehenden Wahl tritt Pastörs nicht an, dennoch ließ er es sich nicht nehmen, vor seinen Jüngern über „nationales Fühlen“, Blut und Boden-Ideologie und die Organisierung von Widerstand zu referieren. Ein besonderes Augenmerk legte er auf die Kausalitätskette Glaube-Wille-Tat, wobei die Tat „so gründlich erfolgen [muss], dass sich davon die Betrüger in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr erholen können.“

Mehr Schein als Sein

Das große Comeback der NPD auf der politischen Bildfläche endete in einem Desaster. Da halfen auch die Durchhalteparolen Kösters nicht, der seine Kameraden auf den kommenden Wahlkampf einstimmte: „Der 1. Mai 2021 ist der Beginn von vielen Aktionen[…], der nationale Widerstand ist nicht nur da; er ist auch lebendig, er ist aktiv […] “ Auch dem Landesvorsitzenden blieb der Buschfunk nicht verborgen, seine Partei sei vollends in der Versenkung verschwunden – in den vergangenen zwei Jahren gab es keine öffentlich wirksamen Aktionen. Er erklärte seinen Zuhörern, sie wären die ganze Zeit da, hätten Schwerpunkte anders gesetzt. Außerdem hätten sie die Arbeit der AfD – einen der größten Wahlkonkurrenten – beobachtet, ja ihnen sogar eine Chance gegeben, die sie nicht genutzt hätten. „Die NPD greift wieder an“, verkündete Köster. Trotz all dieser Erklärungsversuche: Die internen Streitigkeiten, die innerhalb der Partei herrschen, blieben an diesem Tag nicht verborgen. Ein großer Teil der Stammanhängerschaft, vor allem aus Westmecklenburg, blieb dem 1. Mai-Aufmarsch in Greifswald fern. Mittlerweile haben sogar einige Mitglieder die Partei verlassen, unter ihnen auch ehemalige Kader. Ob der Spitzenkandidat Frank Franz, dessen Wurzeln nicht mal in Mecklenburg oder Pommern liegen, die NPD aus ihren Richtungsstreit und den Grabenkämpfen wieder zurück ins Parlament führen kann, wird sich im September zeigen.

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